Interview im Orpheus

 

Orpheus, Juli 2008

Spot 

Interview mit Kirsten Liese

 

Die junge Sopranistin wurde in Aschaffenburg geboren, studierte in Wien bei Ruthilde Boesch und bildete sich auf Meisterkursen bei Walter Berry, Jill Feldman und Elisabeth Schwarzkopf fort, deren besondere Aufmerksamkeit sie weckte und wurde bald darauf ihre Privatschülerin wurde. Ute Ziemers Ausbildung lag der Schwarzkopf besonders am Herzen. Erste geradezu triumphale Erfolge feierte Ute Ziemer mit ihren Liedinterpretationen auf einem Elisabeth Schwarzkopf gewidmeten Memorial Concert 2007 in London. 

 

Elisabeth Schwarzkopf gilt als strenge, unerbittliche Lehrerin. Sie hatten Ihren ersten Unterricht bei ihr auf der Meisterklasse 2002 in Stuttgart bei der Hugo-Wolf Gesellschaft. Wie haben Sie sie erlebt? 

Ich empfand Elisabeth Schwarzkopfs Strenge nicht unangenehm. Aber natürlich kenne ich unerfreuliche Berichte, habe auch einige prekäre Situationen miterlebt. Bei einer Schülerin wollte Frau Schwarzkopf zum Beispiel an der Aussprache arbeiten, die beiden kamen einfach nicht zusammen. Ich bin selbst oftmals eine halbe Stunde lang nicht über den ersten Takt hinausgekommen. Aber es hat mich fasziniert, dass jemand so genau weiß, wie es klingen soll und nicht aufgibt, bis es erreicht wird. Eine solche Hartnäckigkeit habe ich vorher bei keinem anderen Lehrer erlebt.  

Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich Elisabeth Schwarzkopf dann aber sehr für Sie begeistert. 

Ja, innerhalb von zwei Tagen konnten wir uns auf ein schönes Repertoire einigen. Ich habe ein piano-Lied, „Früh, wann die Hähne kräh´n“ von Hugo Wolf, gesungen, und das hat ihr sehr gut gefallen. Bei Ruthilde Boesch habe ich das Piano-Singen sehr gepflegt und das hat sie sehr geschätzt.  

Auf einer der letzten Meisterklassen in Telfs hatten Sie Pfitzner-Lieder dabei, weil Frau Schwarzkopf dem Komponisten persönlich begegnet war. Diese Werke hat sie aber abgelehnt.  

Ja, das war schade, weil sie mit dem Komponisten persönlich gearbeitet hatte. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich, als ich mir die Partie der Ann Truelove aus „The Rake´s Progress“ vornahm. Nach ein paar Takten sagte sie: „Das kenn ich doch“, und nach zehn Takten fiel ihr ein, daß sie ja in Venedig die Uraufführung gesungen hatte. Aus erster Hand zu lernen ist einfach fantastisch. Die Sache mit den Pfitzner-Liedern war nicht tragisch, weil sie zu jedem Lied kluge Anregungen gab, die sich auf andere Stücke übertragen ließen. 

Als Privatschülerin kamen Sie zu Elisabeth Schwarzkopf in die Wohnung. Wie erlebten Sie sie dort?

Die Atmosphäre war persönlicher als bei den Meisterkursen. Allerdings hatte ich auch bei den Meisterkursen nie das Gefühl, dass sie für eine Kamera unterrichtet oder für ein Publikum. Es gab die Arbeit, die Noten und die Anweisungen des Komponisten, auf die sie größten Wert legte.

Inwiefern hat Sie Ruthilde Boesch geprägt, die als Edita Gruberovas Lehrerin berühmt wurde und bei der Sie studierten, bevor Sie zu Elisabeth Schwarzkopf kamen?

Wir arbeiteten viel an den hohen Tönen. Für das Überleben meiner Stimme – das ist jetzt 4 Jahre her, dass ich zweimal wöchentlich regelmäßig hingegangen bin – ist Ihre Technik, nach oben hin schmal zu singen, fantastisch, wie bei Frau Gruberova an sehr schönem Beispiel zu hören ist.

Und Walter Berry, welche Impulse kamen von ihm?

Bei ihm habe die Arie der Zerbinetta gesungen, woraufhin er augenzwinkernd in Anlehnung an sein eigenes erstes Engagement an der Wiener Staatsoper sagte: „Fräulein Ziemer, sie san engagiert“. Das war natürlich ein großes Kompliment. Ich habe auch einige Strauss-Lieder mit ihm gearbeitet, aber ein Studium mit ihm ließ sich leider nicht mehr vertiefen, er starb viel zu früh.

Welche Prioritäten setzen Sie bei der Gestaltung Ihrer Liederabende? Sind Sie besser beraten, das bekannte klassisch-romantische Repertoire von Mozart bis Strauss zu bedienen oder haben Sie größere Chancen, auf sich aufmerksam zu machen, wenn Sie mit weniger bekannten Liedern die Nische suchen?

Das kommt auf den Anlass an. Das Kennerpublikum eines kleineren Rahmens, beispielsweise in Wien, ist selig, wenn Komponisten auf dem Programm stehen, die sie nicht kennen, zum Beispiel Frederick Delius. In größeren Sälen geht das nur bedingt. Da würde ich eher einen kleinen Block davon ansetzen, sonst aber bei den bekannten Komponisten bleiben. Ich bin mir allerdings gar nicht sicher, ob das Publikum bei diesen Entscheidungen immer ausschlaggebend ist. Das schönste Kompliment erreichte mich, als ich einen Abend mit Stücken der Zweiten Wiener Schule gestaltete. Da sagte jemand, das hätte er ja nicht gedacht, dass ihm diese Lieder gefallen könnten, und ich hätte sie so packend interpretiert, dass er sich wirklich dafür interessieren würde. In einem großen Saal würde ich das dennoch nicht versuchen. Frau Schwarzkopf hat auch mal gesagt, „Fräulein Ziemer, was singen Sie denn immer für unbekannte Lieder, damit ist es schwer ein Publikum zu finden, wenn man noch nicht sehr bekannt ist. Sie müssen Schubert singen“

Diesen Rat haben Sie auch bei Ihrer Debüt- CD beherzigt.   

Genau. Auch mit der Plattenfirma Gramola habe ich großes Glück gehabt. Das Label hat genau dieses Repertoire gesucht und ins Programm aufgenommen: Lieder von Mozart und Schubert.  Natürlich gibt es auch den Weg, mit unbekannterem Repertoire auf sich aufmerksam zu machen wie z.B. Christine Schäfer, die Musik des 20. Jh. wählte. Die Zielgruppe für zeitgenössische Musik ist allerdings auch wieder eine kleinere. Es ist schwer zu sagen, welcher Weg sinnvoller ist.

Die Arbeit im Tonstudio – wie erlebten Sie die?

Diese Erfahrung war für mich ungemein lehrreich. Während der Aufnahmen habe ich schon beim ersten Durchhören gemerkt, warum Elisabeth Schwarzkopf so streng ist, warum sie an jedem „i“ und jedem „ch“ feilt. Was einem im Saal vielleicht gar nicht so auffallen würde - auf einer CD hört man alles.

Welche Zukunftspläne haben Sie als Opernsängerin? Streben Sie eine feste Ensemblemitgliedschaft an oder wollen Sie lieber frei gastieren? 

Eigentlich bevorzuge ich Verträge für einzelne Produktionen. Am liebsten übernehme ich Mozartpartien wie Konstanze, Pamina, Ilia, später auch Fiordiligi, auch Richard Strauss. Mit Elisabeth Schwarzkopf habe ich Sophie und Zdenka studiert.

Noch ein paar Worte zu Ihren Zukunftsträumen.

Mein Traumhaus ist das Opernhaus Zürich. Alle Produktionen, die ich dort gesehen habe, waren vor allem musikalisch unglaublich gut. Sehr gerne würde ich unter Riccardo Muti singen und auch mit Nikolaus Harnoncourt zusammenarbeiten, dessen Probenarbeit ich schon miterleben durfte. Seine Arbeitsweise erinnerte mich an die von Frau Schwarzkopf, die auch den gesuchten Ausdruck immer begründen wollte. Und mit Christian Thielemann die „Vier Letzten Lieder“ von Richard Strauss, das wäre wundervoll.